Journalismus. Nur besser.

Media
Mittwoch, 7. Mai 2014 - 10:30 bis 11:00
stage 1
Fortgeschrittene
Deutsch
Vortrag

Kurzthese: 

Jahrzehnte irrten sich die Journalisten über ihr Geschäft. Sie dachten sie verkaufen Nachrichten. Dabei verkauften sie eine Gewohnheit. Man fühlte sich morgens schlecht ohne Kaffee, Zigarette und Zeitung. Doch nun stirbt diese Gewohnheit aus. Damit ändert sich das Handwerk für Journalisten radikal. Bei einem Gewohnheitspublikum ist das wichtigste Ziel, es nicht zu vertreiben. Vermeidet man grobe Fehler und zuviel Ärger, abonniert es bis zum Tod. Das heutige Publikum ist verwöhnter: Als Journalist tritt man gegen die gesamte Unterhaltungsindustrie des Netzes an: nicht nur gegen die besten Zeitungen, sondern auch gegen Social Media, Serien und Games. Und das, während das Kernprodukt, die Nachrichten, inflationär geworden ist, also wertlos. In diesem Markt funktioniert Nicht-Enttäuschung nicht mehr. Sondern es geht es um etwas sehr anderes: die Erweckung von Begeisterung. Ohne sie hat ein Artikel keine Chance, viral zu werden, ein Blatt keine Chance gelesen zu werden, geschweige denn gezahlt. Ein Abonnement ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr sondern ein Bekenntnis.

Beschreibung: 

Die Frage ist, mit welcher Strategie man Journalismus macht, wenn die Nachrichten nicht mehr das Kerngeschäft sind. Und die jahrzehntelang eingeschliffenen Routinen des Geschäfts nicht mehr funktionieren, weil sie ein veraltetes Produkt hervorbringen. Eine erste bisher weitgehend ungenutzte Ressource ist: Stil. Erstens, weil die Komplexität der Gegenwart nicht ohne Rafinesse aufs Papier gebracht werden kann. Zweitens, weil eine Zeitung die Atmosphäre eines Clubs haben muss, zu dem Leute gehören wollen.  Dazu wird in Informationsflut Haltung (nicht Meinung) eine gefragte Ware: Dinge wie Aufrichtigkeit, Klarheit, Freundlichkeit. Eine Zeitung muss ein Gegenüber sein fast wie ein Freund. Das ist, da Haltung kein Zustand, sondern Prozess ist, vor allem eine Frage des Managements – also der internen Debatte: Wohin wollen wir, wohin nicht, was tun wir, was nicht. Ohne Debatte kein Profil.

Kurz, es bleibt einem nichts erspart: Sowohl die Machart der einzelnen Artikel, als auch die Rolle des Journalisten wie auch die Architektur der Redaktion müssen neu gedacht werden.
So gesehen, könnte Journalismus im 21. Jahrhundert sogar Spass machen.

Videoaufzeichnung: 

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